Angstpatient beim Zahnarzt

11.04.2022 | Gesundheitstipps

Der Gedanke an die bevorstehende Behandlung beim Zahnarzt treibt vielen Menschen den Schweiß auf die Stirn. Fast 60 Prozent der Menschen in Deutschland haben Angst vor dem Zahnarzt. Das ergab eine Umfrage des Instituts Deutscher Zahnärzte (IDZ). Die meisten haben „nur“ ein mulmiges Gefühl und verspüren großes Unbehagen vor einer zahnärztlichen Behandlung. Ungefähr zehn Prozent der Patienten haben so eine starke Zahnarztangst, die sich als Dentalphobie oder umgangssprachlich Zahnarztphobie bezeichnen lässt. Insgesamt sind Frauen ängstlicher als Männer. Jüngere Menschen zwischen 20 und 30 Jahren gehören häufiger zu den Angstpatienten als ältere. Bei einigen Patienten ist die Angst so groß, dass sie zu Panikattacken führen kann.

Der große Bogen um die Zahnärzte

Wovor sich ein Angstpatient beim Zahnarzt fürchtet, kann sehr unterschiedlich sein. Manche verspüren eine große Beklemmung, wenn sie an den Bohrer und seine unangenehmen Geräusche und Vibrationen denken. Andere fürchten sich vor Schmerzen, der Spritze, den Gerüchen in der Zahnarztpraxis oder davor, dass der Zahnarzt einen Zahn zieht.

Zwar ist heute eine weitgehend schmerzfreie Behandlung beim Zahnarzt möglich, etwa unter örtlicher Betäubung oder Sedierung (z. B. durch Lachgas). Dennoch nehmen viele sie als äußerst unangenehm oder sogar bedrohlich wahr. Manche Angstpatienten vermeiden den Besuch in der Zahnarztpraxis dann ganz, oft über viele Jahre. Dies schlägt sich auch in einer schlechten Mund- und Zahngesundheit nieder. Bei diesen Personen besitzt die Zahnarztangst einen Krankheitswert – das heißt, es handelt sich um eine krankhafte Angststörung.

Ängste lösen körperliche Reaktionen aus

Angst ist eigentlich ein sehr ursprüngliches Gefühl und eine Schutzreaktion. In einer Situation der Gefahr ist sie überlebensnotwendig, weil sie verschiedenste körperliche und psychische Reaktionen auf vermeintliche oder tatsächliche Gefahren und Bedrohungen in Gang setzt. Dann gibt es zwei Möglichkeiten: Kampf oder Flucht. Auch bei der Angststörung, die sich auf die Zahnarztpraxis und Zahnbehandlung bezieht, sind diese Mechanismen am Werk.

Die krankhafte Angst vor einer zahnärztlichen Behandlung bedeutet, dass Betroffene mit intensiven Gefühlen und Aktionen reagieren. Der Leidensdruck ist erheblich. Folge dieser Angst kann etwa im Rahmen einer Panikattacke eine Flucht während der Behandlung sein. Aber auch ein Ausweichen und Vermeiden – die ängstlichen Patienten gehen gar nicht erst hin.

Die Zahnarztangst ordnen Fachleute den Phobien zu. Genauer gesagt handelt es sich um eine spezifische Phobie, bei der nicht etwa Spinnen oder Hunde, sondern die Situation beim Zahnarzt der Auslöser ist. Im Gegensatz zu einer generalisierten Angststörung, bei der Betroffene im Alltag nahezu ständig Angst haben, nicht nur in einzelnen Situationen.

Panikattacken – diese Symptome sind typisch für Angstpatienten

Eine akute Panikattacke kann sich bei Betroffenen durch verschiedene psychische und körperliche Symptome bemerkbar machen, zum Beispiel:

  • Herzklopfen, Herzrasen, Herzstolpern
  • Atemnot - das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen
  • Zittern
  • Schweißausbrüche
  • Benommenheit, Schwindel, weiche Knie
  • Furcht, die Kontrolle zu verlieren
  • Kribbeln und Taubheitsgefühle
  • Todesangst

Die Panikattacke dauert meist nur kurze Zeit und ist nach wenigen Minuten wieder vorbei. Sie führt allerdings zu einer erheblichen Belastung im Leben der Betroffenen.

Angst vor der Behandlung beim Zahnarzt – mögliche Ursachen

Es gibt nicht „die eine“ Ursache, die eine Zahnbehandlungsangst entstehen lässt. In der Regel sind mehrere Faktoren dafür verantwortlich. Bei Erwachsenen tritt die Zahnarztphobie meist nicht spontan und neu auf, oft hat sie ihre Wurzel in der Kindheit oder Jugend.

Diese Ursachen spielen bei der Zahnarztphobie mit:

  • Traumatische Erfahrung in der Zahnarztpraxis: Das können Schmerzen während der Zahnbehandlung sein. Genauso wie die Passivität, der eingeengte Handlungsspielraum und der Kontrollverlust in der Situation auf dem Zahnarztstuhl.
  • Familiäre Einflüsse: Negative Bemerkungen von Eltern oder Geschwistern über den Besuch beim Zahnarzt können bei Kindern Angst auslösen. Und auch wenn sie das ängstliche Verhalten enger Vertrauter beobachten. Diese Zusammenhänge sind vor allem für jüngere Kinder wissenschaftlich gut belegt.
  • Individuelle Eigenschaften: Auch die Persönlichkeit und das Temperament eines Menschen spielt bei der Entwicklung und bei der Aufrechterhaltung von Ängsten eine Rolle. Dazu gehören zum Beispiel die individuelle Verletzlichkeit (Vulnerabilität), persönliche Bewertungen oder die Verarbeitungsmöglichkeiten von beängstigenden Situationen.

Vielen Patienten gelingt es, mit ihrem Unbehagen beim Gedanken an eine zahnärztliche Behandlung umzugehen, anderen dagegen nicht. Bei ihnen kann sich die Angst steigern und immer weiter ausprägen – und irgendwann bekommt sie möglicherweise einen Krankheitswert. Als Folge leiden Betroffene bei jedem anstehenden Zahnarztbesuch unter massiven und belastenden Angstgefühlen bis hin zu Panikstörungen, die für sie kaum erträglich sind.

Erste-Hilfe-Tipps bei leichter Zahnarztangst

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, um die Angst vor einer Behandlung beim Zahnarzt abzubauen. Die Methoden lassen sich auch miteinander kombinieren. Welche Therapien zum Einsatz kommen, hängt davon ab, wie stark die Angst ausgeprägt ist und ob bereits eine massive Angststörung vorliegt.

Bei leichten Ängsten helfen schon einige praktische Tipps, um die akute Angst in den Griff zu bekommen. Einige Erste-Hilfe-Tipps für Angstpatienten, wie sie in angstauslösenden Situationen reagieren und ihre Angstgefühle und Symptome im Zaum halten können:

  • Informationen: Manchmal helfen schon Informationen über die Art und den Ablauf der Behandlungen beim Zahnarzt gegen die Ängste. Lassen Sie sich alle Schritte gut erklären.
  • Musik hören: Die meisten haben ihr Smartphone ohnehin jederzeit in der Tasche. Wer darauf seine Lieblingsmusik hört, kann schon im Wartezimmer Stress bekämpfen und Ängste lindern. Auch während der Zahnbehandlung kann Musik zur Entspannung und Meditation hilfreich sein.
  • Richtige Atemtechnik: Versuchen Sie, ruhig, tief und konzentriert zu atmen – dies entspannt, trägt zur Beruhigung bei und wirkt der Panik entgegen.
  • Entspannungstechnik lernen: Gut für den Abbau von Stress sind Entspannungsmethoden wie Progressive Muskelentspannung nach Jacobson (Muskeln nacheinander anspannen und wieder entspannen) oder Autogenes Training (bestimmte Sätze wie ein Mantra wiederholen, z. B: „Ich bin ganz ruhig“). Wenn Sie die Entspannungstechnik von einem Profi lernen, können Sie die Übungen später überall durchführen – auch in der Zahnarztpraxis.
  • Lokalanästhesie – also eine örtliche Narkose – ist ebenfalls eine Möglichkeit, um Ängste abzubauen. Dabei verabreichen Zahnärzte ein Medikament, das direkt vor Ort wirkt, also am zu behandelnden Zahn. Zusätzlich gibt es heute modernste Technik, die für eine nahezu schmerzfreie Behandlung sorgt.

Suchen Sie sich einen Tipp aus, der Ihnen das Leben und den Alltag mit der Angst vor dem Zahnarzt erleichtert.

Panikattacken und Zahnarztangst behandeln

Bei Panikattacken und einer Angststörung genügen diese Maßnahmen jedoch meist nicht. Hier ist der Weg zu psychologisch geschulten Fachleuten ratsam. Viele Angstpatienten mit Panikattacken befinden sich jedoch in einer Zwickmühle, aus der sie sich zuerst befreien müssen: Sie gehen aufgrund ihrer Angst nicht zum Zahnarzt. Aber gleichzeitig scheuen sie den Gang zum Psychotherapeuten, weil ihnen ihr Zahnproblem als Bagatelle erscheint und sie eine psychologische Behandlung nicht angemessen finden.

Wichtig ist es aber, sich professionelle Hilfe zu suchen und sein Problem mitzuteilen. Bei einer Angststörung kann psychologische Beratung wirksam helfen.

Es gibt mehrere Behandlungsmöglichkeiten:

  • Psychotherapie, beispielsweise die kognitive Verhaltenstherapie (KVT): Dabei analysieren Sie ungünstige Verhaltensmuster und Denkweisen und versuchen gemeinsam mit dem Psychotherapeuten oder der Psychotherapeutin Alternativen dafür zu entwickeln. Die KVT ist bei Angst vor dem Zahnarztbesuch gut untersucht und wird von Fachleuten empfohlen.
  • Hypnose (Hypnotherapie): Dabei werden Patienten in einen hypnotischen Trancezustand versetzt. Man versucht, einen anderen Bewusstseinszustand herbeizuführen und positive psychische Veränderungen hervorzurufen. Ein Beispiel: Sie gehen gedanklich am Strand oder auf einer Blumenwiese spazieren. Die Trance ähnelt einer Art Tiefschlaf. Das Empfindungsvermögen des Körpers ist dabei bis zur völligen Schmerzunempfindlichkeit herabgesetzt. Zahnarzt und Patient müssen jedoch bei einer Hypnose eng zusammenarbeiten. Die Verbindung „Zahnarzt-Angstpatienten“ sollte vertrauensvoll sein.
  • EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing): Übersetzt bedeutet dies so viel wie „Desensibilisierung und Verarbeitung durch Augenbewegung“. Patienten bewegen bei dieser Traumatherapie – einer Variante der Psychotherapie – ihre Augen nach der Anleitung eines Psychotherapeuten. Eine EMDR verläuft in mehreren Phasen und kann positive Effekte bei der Zahnarztangst erzielen.
  • Akupunktur – es gibt Hinweise darauf, dass sich die Akupunktur (Ohrakupunktur) positiv auf die Angst auswirken könnte. Wissenschaftlich bewiesen ist dies jedoch nicht.
  • Gutes Schmerzmanagement: Es gibt die Möglichkeit der Lokalanästhesie während der Zahnbehandlung und Schmerztabletten für danach, beispielsweise wenn ein Zahn gezogen wurde.
  • Sedierung bis Vollnarkose: Möglich sind mehrere Sedierungsstufen und Sedierungsstadien – von einer lokalen Betäubung bis hin zur Vollnarkose. Eine Möglichkeit ist die leichte Lachgas-Sedierung oder die Sedierung mit Betablockern wie Propanolol. Lachgas ist eine sichere und gut dosierbare Methode. Bei einer Vollnarkose wird das Bewusstsein ganz ausgeschaltet. Hier muss – wie auch bei der tiefen Sedierung – ein Anästhesist vor Ort sein.

Viele können ihre Angst vor dem Zahnarzt allmählich überwinden, wenn sie Vertrauen gewinnen und positive Erfahrungen machen. Wichtig ist es jedoch, dass Patienten mit ihrer Angst offen umgehen und viel Geduld mitbringen.

Mittlerweile gibt es auch spezialisierte Zahnärzte und Zahnärztinnen, die Angstpatienten entsprechende Entspannungsmethoden oder Hypnose anbieten. Oft finden Sie Informationen dazu auf den zahnärztlichen Webseiten. Sprechen Sie vor der Behandlung mit Ihrem behandelnden Zahnarzt oder schildern Sie Ihr Problem vorab in einer E-Mail. Die E-Mail-Adressen finden Sie in der Regel auf der Internetseite der Praxis.

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Quelle:

S3-Leitlinie (Langversion)
„Zahnbehandlungsangst beim Erwachsenen, AWMF-Registernummer: 083-020, Stand: Oktober 2019, Gültig bis: Oktober 2024,
https://secure.owidi.de/documents/10165/1373255/083-020_S3_Zahnbehandlungsangst_Langversion.pdf/994827cc-9d49-4a39-8a0e-0737c92381d6,
zuletzt aufgerufen am 11.04.2022