Einfach gut beraten im Januar: Arztabrechnung

11.12.2020 | Gesundheitskompetenz

Um das Risiko eines Prostatakrebses möglichst gering zu halten, geht Günther Vogel (Name geändert, Anm. d. Red.) regelmäßig zur Voruntersuchung. Da sein langjähriger Arzt in den Ruhestand gegangen ist, benötigt er einen neuen Urologen. Nach längerer Suche wird Günther Vogel fündig. Angekommen in der neuen Praxis, erklärt ihm der Arzt die Notwendigkeit einer Blutuntersuchung. Günther Vogel kennt diese bereits. Was ihn etwas verunsichert, ist die Vielzahl an Werten, die überprüft werden sollen. Die waren sonst immer weniger. Aber der Mediziner wird es schon richtigmachen. Nach ein paar Wochen kommt die Arztrechnung. Günther Vogel staunt nicht schlecht über die zu zahlende Summe. Dabei ist er sich sicher, dass einige aufgelistete Leistungen nicht durchführt wurden. Zudem wundert er sich nach wie vor über die Vielzahl an überprüften Blutwerten. Er ruft bei der SDK Gesundheitsberatung an.

Dort spricht er mit der Beraterin Nina Telser. Diese erklärt ihm: anders als gesetzlich versicherte Patienten erhalten Privatpatienten nach einer ärztlichen Behandlung von ihrem Arzt eine Rechnung. Die ärztliche Vergütung wird auf Grundlage der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) berechnet. Die GOÄ sieht für den Arzt die Vergütung der medizinischen Behandlung, die Erstattung von Entschädigungen (bsp. Wegegeld) und den Ersatz von Geldauslagen vor. Die heutige GOÄ stammt von 1984. Sie ist entsprechend veraltet und zudem komplex. Schon allein deswegen können sich Fehler bei der Arztrechnung einschleichen. Daher gilt auch in diesem besonderen Verhältnis: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser! Bei Unklarheiten ist zunächst ein Gespräch mit dem Arzt sinnvoll.

Um nachvollziehen zu können ob eine Untersuchung durchgeführt wurde, kann Günther Vogel die Patientenakte einsehen. Dieses Recht ist im § 630g BGB geregelt. Wer in der Arztpraxis die Originalakte ansieht oder sich Kopien anfordert, kann besser nachvollziehen, welche Untersuchungen gemacht wurden. Hat der Arzt eine Untersuchung und deren Ergebnis dort nicht dokumentiert, sind Zweifel angebracht, ob diese Leistung überhaupt erbracht wurde.

Im Anschluss wird Günther Vogel zur Ärztin Johanna de Haas weitergleitet. Diese erklärt ihm welche Untersuchungen bei der Prostatakrebsvorsorge Sinn machen. Für die Früherkennung von Prostatakrebs beschreibt die wissenschaftliche Leitlinie zwei Untersuchungen, nämlich eine Blutuntersuchung auf das prostataspezifische Antigen, abgekürzt PSA, sowie die Tastuntersuchung der Prostata durch den Enddarm. Weitere Untersuchungen werden ausdrücklich nicht genannt, bildgebende Verfahren gar als ungeeignet für die Früherkennung des Prostatakarzinoms bewertet. Die Deutsche Gesellschaft für Urologie hat federführend diese Leitlinie erstellt. Zahlreiche weitere wissenschaftliche Fachgesellschaften und andere Institutionen des Gesundheitswesens waren ebenfalls beteiligt. Da bei Günther Vogel bei früheren Untersuchungen nie Auffälligkeiten bestanden und er auch aktuell keinerlei Beschwerden hat, handelt es sich in seinem Fall um eine reine Früherkennungsuntersuchung. Der Urologe hat jedoch zahlreiche und teils sehr teure weitere Laboruntersuchungen veranlasst. Unter anderem wurde das Vorhandensein von Antikörpern gegen verschiedene urologische Krankheitskeime geprüft. Die Beraterin der SDK Gesundheitsberatung kann dafür anhand von Herrn Vogels Anamnese und bei Beachtung der Leitlinie keine medizinische Begründung erkennen.

Herr Vogel fühlt sich gut aufgeklärt und ist nun gerüstet für die Nachfragen bei seinem Urologen. Zunächst will er in der Praxis seine Patientenakte einsehen. Er möchte unter anderem prüfen, ob tatsächlich eine Ultraschalluntersuchung der Bauchorgane dokumentiert ist. Daran kann er sich beim besten Willen nicht erinnern. Außerdem hat die Beraterin ihn dabei unterstützt, in der Leitlinie die entscheidenden Passagen zum Thema Früherkennung zu finden. Günther Vogel möchte den Urologen auf diese Texte hinweisen. Er will fragen, welche medizinische Begründung der Arzt ihm für sein deutliches Abweichen von den Empfehlungen der Leitlinie nennen kann. Sollte Herr Vogel am Ende die Rechnung als fehlerhaft einstufen, kann er den Urologen um eine korrigierte Rechnung bitten. Sollte Herr Vogel sich mit dem Arzt nicht einigen, kann er sich an die Landesärztekammer wenden. Die Landesärztekammer Baden-Württemberg betreibt für solche Fälle eine Gemeinsame GOÄ Gutachterstelle. Die Gutachter nehmen Stellung zu der Frage, ob eine ärztliche Privatrechnung angemessen ist. Auch auf diese Möglichkeit hatte die Ärztin Herrn Vogel hingewiesen. Um die Einzelheiten eines solchen Verfahrens zu besprechen, wird Günther Vogel sich gegebenenfalls nochmal bei der SDK Gesundheitsberatung melden. Zunächst hat die Beraterin ihn ermuntert, die Angelegenheit möglichst in einem Gespräch mit seinem Arzt zu klären.

http://www.leitlinienprogramm-onkolo-gie.de/leitlinien/prostatakarzinom/; https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/043-022OL.html; https://www.aerztekammer-bw.de/10aerzte/42goae/05gutachter.html