Schmerzen im unteren Rücken (Lendenwirbelsäule)

20.11.2017 | Gesundheitsinfos

Marie-Ch. Fritzsche, Ärztin, Freiburg

Rückenschmerzen sind ein sehr häufiges Leiden. Besonders betroffen sind die Kreuzbein- und Lendenregion. Eine ernste körperliche Erkrankung steckt nur selten hinter den Beschwerden.

Akute, subakute und Chronische Rückenschmerzen

  • Akute Rückenschmerzen können bis zu sechs Wochen andauern.
  • Bei einer Schmerzdauer zwischen 6 und 12 Wochen spricht man von einem subakuten Rückenschmerz.
  • Als chronische Rückenschmerzen bezeichnet man Schmerzen, die länger als 12 Wochen bestehen (mit wechselnder Intensität). Nur etwa jeder zehnte Patient entwickelt chronische Rückenschmerzen.

Häufigkeit

  • Schmerzen im unteren Rücken gehören zu den häufigsten Gründen für einen Arztbesuch.
  • Etwa 3 von 4 Deutschen geben an, mindestens einmal in ihrem Leben solche Beschwerden gehabt zu haben.
  • Insbesondere Personen im Alter zwischen 35 und 55 Jahren suchen wegen Rückenschmerzen einen Arzt auf. Frauen und Männer sind gleichermaßen betroffen. Etwa 20 % aller Frauen leiden während und nach der Schwangerschaft an Rückenschmerzen.
  • Rückenerkrankungen sind der mit Abstand häufigste Grund für Arbeitsausfälle und ca. 10 % der Langzeit-Krankschreibungen

Diagnostische Einschätzungen

  • Die Ursachen für akute Rückenschmerzen lassen sich grob in folgende Kategorien unterteilen:
    • unspezifische Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule (80–90 %)
    • Nervenwurzel-Reizungen oder -Verletzungen, Ischiasnerv (5–10 %)
    • andere, möglicherweise ernste Ursachen (unter 1 %).
  • In Erwartung der Diagnose:
    • In den meisten Fällen gehen die Beschwerden innerhalb einiger Wochen von allein zurück, weshalb eine umfangreiche Ursachenforschung in der akuten Phase oftmals unnötig ist.
    • Selbst im Falle eines Ischiassyndroms tritt bei 70 % der Patienten innerhalb von zwei bis vier Wochen eine Spontanheilung ein.
  • Symptome und weitere Informationen, die für die Diagnose besonders relevant sind:
    • Ruheschmerz, andauernde Schmerzen, zunehmende Schmerzen, Brustschmerzen
    • Allgemeinsymptome, Fieber, Gewichtsverlust
    • erheblicher Verlust der Muskelkraft in bestimmten Muskelgruppen, Sensibilitätsstörungen, möglicherweise erhebliche Verdrehung der Wirbelsäule
    • ausgeprägte Morgensteifigkeit, die mehr als eine Stunde anhält, hohe Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG)
    • Verletzungen, bekannte Krebserkrankung
    • Verwendung von Steroiden, Immunsuppressiva, Alkohol- und Drogenmissbrauch
    • Alter unter 20 oder über 55 Jahre.

Ursachen Häufige Ursachen

  • Akute Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule (akuter Lumbago):
    • Ein Lumbago, umgangssprachlich auch als Hexenschuss bekannt, kann z. B. durch Verdrehung, Überbelastung, unmittelbare Verletzung, Fall oder infolge von Abnutzungserscheinungen der Wirbelsäule auftreten.
    • Personen im Alter zwischen 20 und 55 Jahren sind am häufigsten betroffen. Rund 80–90 % der akuten Rückenschmerzen sind auf einen Lumbago zurückzuführen.
    • Die Symptome kommen plötzlich und oftmals bei Personen vor, die bereits früher ähnliche Beschwerden erlebt haben.
    • Die Schmerzen können zum Steißbein hin oder diffus bis in den Oberschenkel ausstrahlen.
    • Schmerzqualität und -intensität können variieren, häufig lassen die Beschwerden aber im Ruhezustand nach.
  • Chronische Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule (chronischer Lumbago):
    • Es handelt sich um ein häufiges Krankheitsbild mit rezidivierenden oder chronischen Schmerzen im unteren Rücken.
  • Ischiassyndrom (Bandscheibenvorfall)
    • Eine beschädigte Zwischenwirbelscheibe (Bandscheibe) kann einen Bandscheibenvorfall nach sich ziehen, bei dem der normalerweise innenliegende gallertartige Kern der Bandscheibe teilweise nach außen quillt und eine der Nervenwurzeln abklemmt.
    • Die Beschwerden beginnen oft plötzlich und in Form von ausstrahlenden Schmerzen und Taubheitsgefühlen oder Kribbeln in einem oder beiden Beinen, zuweilen bis hin zum Fuß.
    • Rückenschmerzen können, müssen aber nicht vorkommen, meist sind die Schmerzen im Bein schlimmer. Häufig geht das Ischiassyndrom auch mit Beschwerden im Ruhezustand einher, Husten und Niesen können die Schmerzen zusätzlich verstärken.
    • Muskelschwäche und Sensibilitätsstörungen im Bein können ebenfalls vorkommen.
    • Der sogenannte „falsche Ischias“ ruft dieselben Symptome hervor (mit Ausnahme von Muskelschwäche und Sensibilitätsstörungen) und kann von einem verspannten Muskel herrühren, der auf den Ischiasnerv drückt.
  • Fraktur der Wirbelsäule im Zusammenhang mit Osteoporose (Kompressionsbruch):
    • Zu einer Kompressionsfraktur kommt es in erster Linie bei Personen mit stark ausgeprägter Osteoporose, normalerweise bei älteren Frauen. Weniger als die Hälfte der Betroffenen kann eine auslösende Verletzung benennen.
    • Es kommt zu akuten, anhaltenden Schmerzen im Rücken und bei Bewegungen.
  • Morbus Bechterew (Spondylitis ankylosans):
    • Es handelt sich um eine chronisch-entzündliche Erkrankung, die überwiegend das Wirbelsäulenskelett betrifft, aber auch in anderen Gelenken und Organen vorkommen kann.
    • Etwa 1–2 von 1.000 Erwachsenen erkranken an einem Morbus Bechterew, bei Männern tritt die Erkrankung häufiger und früher auf als bei Frauen.
    • Zu den typischen Beschwerden zählen zunehmende Schmerzen, die meist in den gesamten Rücken und ins Becken ausstrahlen, sowie Steifheit im Bereich der Lendenwirbelsäule. Besonders ausgeprägt sind die Schmerzen nachts, auch Morgensteifigkeit zählt zu den dominierenden Symptomen. Tagsüber und durch körperliche Bewegung kommt es häufig zu einer leichten Verbesserung.
  • Scheuermann-Krankheit:
    • Die Scheuermann-Krankheit ist eine juvenile Verknöcherungsstörung, die in der Regel während Wachstumsschüben in der Pubertät auftritt und vor allem die mittlere und untere Brustwirbelsäule betrifft, in einigen Fällen aber auch die obere Lendenwirbelsäule. Dabei führt ein ungleichmäßiges Wachstum zu Verformungen der Wirbelkörper, was in der Ausbildung einer übermäßigen Kyphose, eine nach hinten (dorsal) konvexe Krümmung in der Sagittalebene, resultiert.
    • Mäßige Veränderungen im Bereich der Brustwirbelsäule sind häufig schmerzlos, eine Beteiligung der Lendenwirbelsäule geht allerdings in den meisten Fällen mit Schmerzen einher.
  • Krümmung der Wirbelsäule (Skoliose):
    • Die Skoliose ist eine seitliche Krümmung der Wirbelsäule in der Frontalebene, die normalerweise in der Pubertät und vermehrt bei Mädchen auftritt. Rund 3 % der Bevölkerung sind davon betroffen, aber nur bei 10 % von ihnen ist auch eine Behandlung erforderlich.
    • Normalerweise leiden Personen mit Skoliose nicht häufiger unter Rückenschmerzen als andere Menschen auch. Mitunter kann es schneller zu Ermüdungserscheinungen des Rückens kommen.
  • Wirbelsäulen-Degeneration (Spondylose, Spondylosis deformans):
    • Unter diesem Begriff werden abnutzungsbedingte Veränderungen der Wirbelsäule, insbesondere der Zwischenwirbelscheiben (Bandscheiben), zusammengefasst.
    • Die meisten Personen über 40 Jahren weisen eine Spondylose auf, aber nur wenige zeigen Symptome.
    • Häufig besteht kein Zusammenhang mit spezifischen Rückenbeschwerden; Abnutzungserscheinungen im unteren Rücken können allerdings Schmerzen hervorrufen, die sich bei körperlicher Belastung verschlimmern.

Seltenere Ursachen

  • Spondylolyse und Spondylolisthesis:
    • Diese Krankheitsbilder werden durch einen Defekt der Wirbelsäule hervorgerufen, der angeboren sein oder auf einer Ermüdungsfraktur beruhen kann (Spondylolyse). In 30–80 % der Fälle gleiten die zwei Teile des defekten Wirbelkörpers auseinander (Spondylolisthesis).
    • Symptome treten in erster Linie bei Jugendlichen (15–19 Jahre) und beispielsweise im Zusammenhang mit Wurfsportarten wie Speerwurf und Handball, aber auch Gymnastik und Gewichtheben auf.
    • Es kommt zu Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule, die in die Gesäßmuskulatur und die Oberschenkel ausstrahlen. Häufig verschlimmern sich die Schmerzen im Laufe des Tages.
  • Enger Rückenmarkskanal (Spinalstenose):
    • Eine Spinalstenose beruht häufig auf Abnutzungserscheinungen, in deren Folge das Rückenmark oder die Nervenwurzeln eingeengt werden. Sie tritt normalerweise bei älteren Personen (über 60 Jahren) auf. Als Leitsymptom gilt die verminderte Fähigkeit, längere Strecken zu Fuß zurückzulegen. Häufig nehmen die Schmerzen ab, wenn man sich nach vorne beugt.
    • Es kann zu Rückenschmerzen und Morgensteifigkeit, ausstrahlenden Schmerzen, Taubheitsgefühlen und Kribbeln sowie Muskelschwäche im Zusammenhang mit körperlicher Aktivität kommen.
  • Weitere seltene Ursachen:
    • Es existieren noch einige weitere seltene Ursachen für Rückenschmerzen (z.B. Tumormetastasen in der Wirbelsäule), auf die hier aber nicht weiter eingegangen werden soll.

Was können Sie selbst tun?

  • In den meisten Fällen tritt bei akuten Rückenbeschwerden innerhalb von ein bis zwei Wochen auch ohne Behandlung eine deutliche Besserung ein.
  • Unter Umständen können schmerzstillende Medikamente wie Paracetamol oder Ibuprofen hilfreich sein.
  • Normalerweise schreitet die Genesung schneller voran, wenn man in Bewegung bleibt und möglichst wenig im Bett liegt.
  • Nach der Akutphase lassen sich durch entsprechendes Training sowohl die Schmerzen lindern, als auch Rückfälle verhindern. Hierzu zählen beispielsweise Übungen, die zu einer Stabilisierung des Rückens beitragen.
    • Im Rahmen einer zehnjährigen Forschungsstudie zeigte sich kein Unterschied zwischen Patienten, die Muskelaufbautraining durchführten, und jenen, die sich mit Flexibilitätstraining befassten.
    • Dahingegen konnte ein eindeutiger Zusammenhang zwischen der Häufigkeit des Trainings und einer Verbesserung der Behandlungsergebnisse beobachtet werden.
  • Bei unkomplizierten Rückenschmerzen empfiehlt es sich oftmals, aktiv zu bleiben.

Wann sollten Sie einen Arzt aufsuchen?

  • Bei starken Rückenschmerzen.
  • Bei einseitig ausstrahlenden Schmerzen, die bis unter das Knie ziehen.
  • Bei anhaltenden Beschwerden, die trotz der oben genannten Ratschläge nicht besser werden.

Wie geht der Arzt vor? Anamnese Der Arzt wird Ihnen eventuell folgende Fragen stellen:

  • Seit wann leiden Sie schon unter den Beschwerden?
  • Wenn Sie bereits früher unter Rückenproblemen gelitten haben:
    • Wie sah der Krankheitsverlauf aus?
    • Wie wurden die Beschwerden behandelt?
  • Bei akuten Beschwerden:
    • Wie fingen die Beschwerden an?
    • Wie haben sich die Beschwerden entwickelt?
  • Schmerzen:
    • Konstant?
    • Im Ruhezustand?
    • Was verschafft Linderung?
    • Was führt zu einer Verschlimmerung?
    • Können Sie die Schmerzen beschreiben?
    • Schmerzintensität:
      • Benötigen Sie Arzneimittel?
      • Ist Ihr Arbeitsvermögen eingeschränkt?
    • Haben Sie Schlafprobleme oder Schmerzen während der Nacht?
    • Strahlen die Schmerzen aus?
      • Wo genau tut es weh?
      • Schmerzt es beim Husten und Niesen?
  • Anzeichen eines Nervenschadens:
    • Leiden Sie unter Muskelschwäche oder Sensibilitätsstörungen?
    • Können Sie Harnblase und Darm normal entleeren?
  • Allgemeinsymptome:
    • Haben Sie Anzeichen einer anderen Erkrankung?

Ärztliche Untersuchung

  • Bei wiederholten Beschwerden, die bereits eingehend untersucht wurde, ist eine erneute gründliche Untersuchung in der Regel nicht notwendig.
  • Bei akuten Rückenbeschwerden mit starken Schmerzen, bei denen der Arzt keine zugrundeliegende Erkrankung vermutet, erfolgt normalerweise keine umfangreichere Untersuchung.
  • Bei wiederauftretenden Beschwerden oder einer Krankengeschichte (Anamnese), die auf einen eingeklemmten Nerv hinweist, wird eine eingehendere Untersuchung durchgeführt:
    • Der Arzt prüft, ob offensichtliche Fehlstellungen vorliegen und der Gang des Patienten normal ist.
    • Die Beweglichkeit des Rückens und der Hüfte wird beurteilt.
    • Vermutet der Arzt ein Ischiassyndrom, erfolgt eine ausführliche Untersuchung der Beine, bei der Muskelkraft, Sensibilität, Reflexe und die Schmerzanfälligkeit beim Anheben des Beins (Lasègue-Test) überprüft werden.

Weitere Untersuchungen

  • Blutuntersuchungen sind beim erstmaligen Auftreten der Beschwerden selten notwendig, können aber bei wiederkehrenden Problemen sinnvoll sein.
  • Bei rezidivierenden Beschwerden und starken Schmerzen über einen Zeitraum von mehr als vier bis sechs Wochen:
    • In diesem Fall werden häufig bilddiagnostische Untersuchungsmaßnahmen ergriffen, z. B. eine Computertomografie in Kombination mit Röntgen oder Magnetresonanztomografie.
  • Bei Nervenwurzelschäden ohne Besserung nach vier bis sechs Wochen:
    • Auch hier erfolgen in der Regel zur detaillierten Abklärung, insbesondere wenn eine Operation erwogen wird, bilddiagnostische Maßnahmen mithilfe von Computertomografie und Röntgen oder Magnetresonanztomografie.
    • Bei Patienten, die bereits wegen eines Bandscheibenvorfalls operiert worden sind, wird die Magnetresonanztomografie bevorzugt.
  • Bei Verdacht auf eine zugrundeliegende Erkrankung oder einen Knochenbruch:
    • Fast immer werden bilddiagnostische Untersuchungsmaßnahmen durchgeführt, bevorzugt eine Magnetresonanztomografie, alternativ eine Computertomografie oder Röntgen, möglicherweise auch eine Szintigrafie.

Überweisung an einen Spezialisten

  • Überweisung an eine Rückenklinik (Neurochirurgie, Orthopädie, Neurologie oder Rehabilitationsmedizin):
    • z. B. wenn innerhalb von sechs bis acht Wochen keine Besserung eintritt.
  • Überweisung an einen Orthopäden:
    • z. B. bei stark ausgeprägten Fehlstellungen der Wirbelsäule.
  • Überweisung an einen Rheumatologen:
    • bei Verdacht auf eine Spondylitis ankylosans oder eine andere rheumatologische Erkrankung.

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