Babyblues oder Wochenbettdepression

25.07.2022 | Gesundheitstipps

Endlich ist das Baby da. Eigentlich sollten wir glücklich sein, doch es laufen die Tränen. Das Leben mit dem neuen Erdenbürger kostet viel Energie. Ein neuer Rhythmus ist noch nicht gefunden, die Ansprüche des Neugeborenen kosten Kraft, die Stimmung schwankt und ist gereizt. Viele Frauen erwischt neben den vielen positiven Gefühlen kurz nach der Geburt der Babyblues. Das ist ganz normal und geht wieder vorüber. Hält die trübe Stimmung länger an, kann dahinter eine beginnende Depression stecken.

Fachleute bezeichnen eine Depression nach der Geburt eines Kindes als postpartale Depression. Umgangssprachlich sprechen viele auch von postnataler Depression oder Wochenbettdepression. Betroffene sollten anhaltende Stimmungsschwankungen und Traurigkeit nach der Geburt unbedingt ernst zu nehmen und sich Unterstützung zu suchen.

Babyblues oder Wochenbettdepression– was ist der Unterschied?

Es ist wichtig, den Unterschied zwischen einer Depression und Baby Blues zu kennen. Etwa zwei Drittel aller Mütter trifft in den ersten Tagen nach der Schwangerschaft der Baby Blues. Typisch dafür sind eine niedergeschlagene Stimmung, auch starke Stimmungsschwankungen sind möglich. Das ist kein Wunder, denn mit der Geburt eines Kindes gehen einem viele Fragen durch den Kopf:

  • Werde ich mit der neuen Situation zurechtkommen?
  • Kann ich meinem Kind das geben, was es braucht?
  • Werde ich von meinem Partner genug Unterstützung bekommen?
  • Können wir die Wohnung weiterhin bezahlen?
  • Finde ich nach der Babyzeit Anschluss in meinem Beruf?

Woher kommen die Stimmungsschwankungen nach der Geburt?

Fachleute machen unter anderem den Hormonabfall nach der Geburt für die Stimmungsschwankungen verantwortlich. Auch Schlafmangel, die Umstellung auf die neue Lebenssituation, mangelnde Unterstützung durch den Partner oder die Enttäuschung, dass die Geburt anders verlief, als erwartet, kann die Stimmung nach der Geburt zum Kippen bringen. Im Unterschied zu einer depressiven Verstimmung im Wochenbett treten die Symptome beim „einfachen“ Baby Blues nur vorübergehend und mit leichtem Verlauf auf. Spätestens nach zwei Wochen verziehen sich die grauen Wolken über dem Kopf. Ist das nicht der Fall, ist es wichtig, die Symptome im Blick zu behalten. Am besten, Sie gehen zu einer Ärztin oder einem Arzt. Diese können eine echte Depression schnell erkennen und im Rahmen einer psychotherapeutischen Behandlung kurieren.

Typische Symptome für einen Baby Blues

  • Stimmungsschwankungen
  • Reizbarkeit
  • Weinkrämpfe aus unerklärlichen Gründen
  • Ängstlichkeit
  • Erschöpfung
  • Ungeduld
  • verminderte Konzentration

Was sind die Symptome bei einem postpartalen Stimmungstief?

Bei einer postpartalen Depression sind die negativen Gefühle deutlich stärker als beim „simplen“ Baby-Blues. Die Symptome unterscheiden sich nicht maßgeblich von einer „herkömmlichen“ Depression in anderen Lebensphasen. Eine Behandlung ist spätestens dann angezeigt, wenn Betroffene mit ihrem Alltag nicht mehr zurechtkommen. Fachleute sprechen von einer postpartalen Depression, wenn die Beschwerden länger als zwei Wochen anhalten. Treten bei Ihnen einige der folgenden Symptome immer wieder auf, kann das auf eine schwere depressive Verstimmung hindeuten:

  • anhaltendes Stimmungstief (tiefe Traurigkeit, häufiges Weinen)
  • Gefühl, eine schlechte Mutter zu sein
  • Gleichgültigkeit gegenüber Dingen, die normalerweise Freude bereiten
  • Schlafstörungen
  • Konzentrationsstörungen
  • Appetitlosigkeit
  • Ängstlichkeit
  • Selbstzweifel
  • ständiges Grübeln
  • Gedanken an Selbstverletzung
  • Gedanken, dem Baby zu schaden

Betroffene Mütter leiden meist unter starken Schuldgefühlen gegenüber ihrem Neugeborenen, weil sie sich nicht in der Lage fühlen, sich gut um ihr Baby zu kümmern oder einfühlsam auf das Kind zu reagieren. Viele Betroffene haben nicht den Mut, mit anderen über ihre Empfindungen zu sprechen, schließlich wollen sie nicht als „Rabenmutter“ abgestempelt werden. Das kann dazu führen, dass sich Betroffene zunehmend zurückziehen und sich am Ende selbst nicht mehr wiedererkennen.

Wann zum Arzt bei Baby Blues und Stimmungsschwankungen?

Betroffene Frauen sollten sich bei einem anhaltenden Stimmungstief nach der Geburt unbedingt professionelle Hilfe suchen. Einigen Frauen geht es allerdings so schlecht, dass sie gar nicht in der Lage sind, sich um Unterstützung und Hilfe zu kümmern. Deshalb sollten auch Ärzte, die Hebamme, der Partner, Angehörige oder Freunde auf mögliche Symptome achten und gegebenenfalls für Unterstützung sorgen.

Selbsttest Wochenbett-Depression

Die Edinburgh-Postnatal-Depressions-Skala (Edinburgh-Postnatal-Depression-Scale) ist ein Fragebogen, der die Stimmungslage der letzten 7 Tage erhebt. Eine hohe Punktzahl kann auf eine Erkrankung hindeuten. Hier geht´s zum Edinburgh Depressions-Fragebogen nach der Geburt (PDF).

Häufigkeit und Verlauf von Depressionen nach der Geburt

Bis zu 15 von 100 Frauen leiden in den ersten drei Monaten nach der Geburt unter einer depressiven Verstimmung. Rund die Hälfte der Betroffenen (8 von 100) haben eine milde bis moderate Form. Rund 7 von 100 Frauen entwickeln eine stärkere Depression. Ohne Behandlung kann eine Wochenbettdepression 4 bis 6 Monate andauern. Einige Symptome können jahrelang nicht verschwinden. Wird eine Wochenbettdepression nicht fachmännisch behandelt, besteht eher die Gefahr, dass die Depression chronisch wird.

Wie riskant ist eine postpartale Depression?

In der Regel ist eine postpartale Depression nicht gefährlich. Sie kann allerdings unbehandelt die Mutter-Kind-Bindung beeinträchtigen und die Beziehung der jungen Mutter zum Kind belasten. Vor allem dann, wenn es der Mutter schwerfällt, auf die Bedürfnisse des Kindes adäquat zu reagieren. Es kann auch passieren, dass manche Mütter Zwangsgedanken entwickeln. Sie bilden sich beispielsweise ein, ihrem Kind zu schaden oder es zu verletzen – obwohl sie es niemals tun würden. Das hat zur Folge, dass sie sich beispielsweise nicht trauen, das Kind alleine zu baden. Bei einer schweren Depression besteht die Gefahr, sich über längere Zeit sehr niedergeschlagen zu fühlen. In seltenen Fällen können Suizidgedanken auftreten. Wenn Sie ernsthaft über eine Selbsttötung nachdenken, sollten Sie dringend medizinische und psychologische Hilfe in Anspruch nehmen.

Psychische Störung möglich: postpartale Psychose

Seltener als eine Depression im Wochenbett ist eine postpartale Psychose. Diese kann die Mutter-Kind-Beziehung stark belasten. Irreführenderweise wird sie auch „Stillpsychose“ genannt. Diese schwere psychische Erkrankung tritt bei etwa 1 von 1000 Frauen vor. Frauen mit einer manisch-depressiven Erkrankung (bipolare Störung) haben ein erhöhtes Risiko zu erkranken. Eine postpartale Psychose muss dringend fachärztlich behandelt werden. Ein Kennzeichen ist beispielsweise, dass betroffene Frauen den Bezug zur Realität verlieren.

Was sind die Ursachen für eine Wochenbettdepression?

Wie viele gutgemeinte Weisheiten bekommt jede Schwangere vor der Entbindung zu hören: „Dein Körper weiß, was er zu tun hat, wenn das Baby kommt“, „Die Zeit nach der Geburt ist wunderschön“, „Mutterliebe ist die reinste Liebe“, „Jede gute Mutter spürt, was ihr Baby braucht“. Fakt ist: Schwangerschaft und Geburt sind für jede Frau einschneidende Erlebnisse. Kein Wunder, dass neben freudigen Gefühlen auch Ängste und Zweifel auftreten können. Das ist nichts, wofür sich frischgebackene Mütter schämen müssen, denn sie sind damit in guter Gesellschaft. Einige Frauen reagieren auf Probleme und Überforderung mit einer Depression. Jede von ihnen hat dafür persönliche Ursachen. Es ist wichtig zu wissen, dass eine Depression – wie auch alle anderen seelischen Erkrankungen – prinzipiell zu jedem Zeitpunkt und in jedem Lebensabschnitt auftreten kann.

Generell erkranken Frauen häufiger an einer Wochenbettdepression, wenn sie

  • familiär vorbelastet sind oder bereits an einer Angststörung oder Depressionen leiden,
  • Stress und belastende Ereignisse während der Schwangerschaft und nach der Entbindung erlebt haben,
  • Veränderungen in der Familie erlebt haben (Umzug, Tod),
  • in einer unglücklichen Beziehung stecken oder ohne Partner leben,
  • Schulden aufnehmen mussten,
  • eine vorangegangene Tot- oder Fehlgeburt erlebt haben,
  • eine schwierige Geburt hatten,
  • Probleme mit der Gesundheit des Babys haben oder
  • wenig soziale Unterstützung erfahren.

Welchen Einfluss hormonelle Veränderungen infolge der Schwangerschaft haben, ist noch nicht abschließend geklärt.

Wie kann ich einer Wochenbettdepression vorbeugen?

Ein Kind stellt das Leben auf den Kopf. Damit Ihnen die Zeit nach der Entbindung leichter fällt, haben wir ein paar einfache Tipps und Tricks für Sie gesammelt:

  • Erledigen Sie so viel wie möglich vor der Entbindung.
  • Organisieren Sie für die Zeit nach der Entbindung zusätzliche Unterstützung.
  • Suchen Sie sich eine erfahrene Hebamme, die Sie betreut.
  • Muten Sie sich nicht zu viel zu.
  • Reden Sie mit einer Person Ihres Vertrauens offen über alles, was Sie belastet oder Ihnen Sorge bereitet.
  • Setzen Sie neue Prioritäten und melden Sie sich einfach mal bei allen ab, wenn alles zu viel wird.
  • Beziehen Sie Ihren Partner oder Ihre Partnerin in die Betreuung des Babys mit ein.
  • Achten Sie darauf, dass Sie auch etwas Zeit für sich selbst haben.
  • Gönnen Sie sich tagsüber Ruhepausen, zum Beispiel wenn das Baby schläft.
  • Schließen Sie Kontakte zu anderen frischgebackenen Müttern und tauschen Sie Erfahrungen aus.
  • Genießen Sie die schönen Momente mit Ihrem Baby.

Quellen