Bluttest auf Brustkrebs – wie zuverlässig ist er?

10.05.2019 | Gesundheitskompetenz

Ein neuer Bluttest auf Brustkrebs des Universitätsklinikums Heidelberg erhitzt die Gemüter. Er soll zukünftig die Diagnostik verbessern. Wie funktioniert der Test, wie aussagekräftig ist er und was bemängeln Kritiker?

Die Diagnose von Brustkrebs soll zukünftig schon mit wenigen Millilitern Blut möglich sein. Forscher des Universitätsklinikums Heidelberg entwickelten einen Bluttest1, mit dem sich Brustkrebs schneller und einfacher erkennen lassen soll als bisher. Er basiert auf dem Prinzip der Flüssigbiopsie, im Englischen Liquid Biopsy. Dabei „lesen“ Ärzte aus verschiedenen Körperflüssigkeiten Risiken ab – bei diesem Test aus dem Blut.

Allerdings gibt es am Vorgehen der Heidelberger Ärzte massive Kritik. Wissenschaftler und Forschungsgremien werfen der Forschungsgruppe vor, dass die wissenschaftliche Grundlage noch zu gering sei, um derart öffentlichkeitswirksam aufzutreten, wie es die Forschergruppe getan habe. Noch gibt es auch keine entsprechenden Veröffentlichungen in wissenschaftlichen Publikationen.3 Das Universitätsklinikum Heidelberg hat inzwischen sogar Strafanzeige gegen Unbekannt gestellt.6

Neu ist die von den Heidelberger Medizinern vorgestellte Methode nicht. Weltweit forschen Wissenschaftler schon seit Jahren an dieser Technik zur Erkennung von Krankheiten. Die Vorteile des Verfahrens liegen auf der Hand: Es funktioniert nicht-invasiv und gilt damit als besonders schonend. Der Test beinhaltet z. B. keine Strahlenbelastung wie bei einer Mammografie.

Bluttest auf Brustkrebs – die Ergebnisse der Studie1

Der Bluttest auf Brustkrebs wurde von einem Team von Wissenschaftlern um die Chinesin Rongxi Yang7 entwickelt – unterstützt von einem Gründerstipendium des Bundesministeriums für Wirtschaft. Rongxi Yang gelang es allerdings nicht den Test zu professionalisieren und die Marktreife voranzutreiben. Prof. Christof Sohn und Prof. Sarah Schott übernahmen offenbar später die Federführung über das Projekt. Der Test spürt 15 verschiedene Biomarker auf, die Tumorzellen bei einer Brustkrebserkrankung vermehrt ins Blut abgeben. In der Fachsprache haben diese Botenstoffe komplizierte Namen: miRNA (microRNA) und Methylierungsmarker. Die Heidelberger Forscher überprüften ihren Bluttest in einer – bisher noch unveröffentlichten – Studie mit 900 Frauen: 500 waren an Brustkrebs erkrankt, 400 hatten kein diagnostiziertes Mamakarzinom. Die wichtigsten Ergebnisse nach Angaben der Heidelberger Forscher:

  • Brustkrebs ließ sich mit einer Sensitivität von durchschnittlich 75 Prozent vorhersagen. Dieser Wert gibt an, mit welcher Sicherheit der Test das gesuchte Merkmal – also den Brustkrebs – tatsächlich erkennt. Wer Brustkrebs hat, sollte demnach ein positives Testergebnis erhalten. Im Umkehrschluss heißt dies: Bei 25 Prozent Frauen mit Brustkrebs „übersah“ der Test die Erkrankung.
  • Die Sensitivität des Tests hing vom Alter der Frauen ab. Bei den unter 50-Jährigen erbrachte er bei 86 Prozent das richtige Ergebnis. Etwas schlechter sah es bei den über 50-Jährigen aus: Hier lag die Sensitivität nur noch bei 60 Prozent. Damit profitierten besonders jüngere Frauen mit dichtem Brustgewebe oder Frauen mit einem familiären Brustkrebsrisiko von dem Bluttest, so jedenfalls die Aussage der Forscher. Hier sei die Mammografie oft zu wenig aussagekräftig und einige bildgebende Verfahren seien aufgrund bestimmter Risikofaktoren manchmal nicht einsetzbar.

Bluttest mit eingeschränkter Aussagekraft Ein Manko des Bluttests ist, dass die Forscher keine genauen Angaben zur Spezifität des Tests machen.2 Dieser Wert gibt die Treffsicherheit an, mit der der Test die Gesunden korrekt erkennt. Wer keinen Brustkrebs hat, sollte folglich ein negatives Testergebnis erhalten (richtig-negatives Ergebnis). Die Spezifität eines Tests ist umso geringer, je häufiger er falschen Alarm schlägt, obwohl keine Krankheit vorliegt. Ärzte sprechen von einem falsch-positiven Testergebnis. Der Heidelberger Bluttest schlug jedoch auch bei einigen der 400 gesunden Frauen an. Dies sei bei einer Mammografie oder Magnetresonanztomografie (MRT) ebenfalls normal, betonen die Forscher. Für die betroffenen Frauen bedeutet das allerdings, dass die falsche Brustkrebsdiagnose sie unnötig in Angst und Schrecken versetzt.

Bluttest und wissenschaftliches Vorgehen werfen Fragen auf Während die Heidelberger Wissenschaftler überzeugt sind vom Mehrwert ihres Tests, mehren sich die Kritiker. So stellt die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) gemeinsam mit fünf anderen renommierten Fachgesellschaften in einer Stellungnahme fest:3 „Diese Studie ist derzeit noch nicht abgeschlossen, die Ergebnisse sind nicht in einer wissenschaftlichen Fachzeitschrift publiziert und der Test noch nicht zugelassen.“ Eine Berichterstattung, die ohne Beweisgrundlage Hoffnungen bei Betroffenen wecke, sei „kritisch zu bewerten“.

Die Forscher hatten der Bild-Zeitung die Exklusivrechte für die Berichterstattung gegeben. Als Basis diente nur die hauseigene Pressemitteilung des Universitätsklinikums,1 nicht aber eine unabhängige Quelle wie ein Fachjournal. Eine dortige Veröffentlichung der Studienergebnisse gehört zum guten wissenschaftlichen Standard. So können andere Fachleute und Journalisten sämtliche Ergebnisse nachvollziehen, einordnen und bewerten. Kritisch zu sehen ist außerdem die Wortwahl der Forscher: Sie sprechen von „revolutionärer Diagnosemöglichkeit“ und „Meilenstein“. Das weckt die Hoffnungen vieler Frauen, die dann womöglich enttäuscht werden. Brustkrebs gehört wohl zu den Krankheiten, die Frauen am meisten fürchten. Rund 70.000 Frauen erkranken jedes Jahr neu an einem bösartigen Tumor in der Brust.

Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) bemängelte die dünne Datenlage.2 „Die angegebenen Daten reichen nicht zur Beantwortung der Frage aus, ob der Test eventuell dazu geeignet sein könnte, das bestehende Brustkrebs-Screening für alle Frauen oder für Risikogruppen zu ergänzen oder sogar zu ersetzen.“ Der Test sei nicht sensitiver als die Mammografie. Ähnlich lautet auch das Fazit der DGGG:3 Ohne Ergebnisse aus größeren Studien mit vielen Patientinnen an mehreren Zentren und gesunden Kontrollen „darf der Test nicht in der klinischen Routine genutzt werden.“

Unabhängige Expertenkommission: Heidelberger Uniklinikum will aufklären

Das Universitätsklinikum Heidelberg hat jetzt eine unabhängige Kommission aus überwiegend externen Experten sowie eine interne Arbeitsgruppe eingesetzt. Das Ziel: „Alle Aspekte umfassend und aus neutraler Perspektive zu analysieren“, erklärt das Klinikum in einer Pressemitteilung.4 Dazu gehört auch die Tatsache, dass zur Vermarktung des Tests eine Ausgründung des Universitätsklinikums Heidelberg gegründet wurde: die HeiScreen GmbH,5 die auch ein Patent auf den Bluttest angemeldet hat. Einer der Geschäftsführer ist Christof Sohn. Die Markteinführung des Tests ist noch für dieses Jahr geplant.

Quellen: