Behandlungs­fehler: Was ist das eigentlich?

Wenn es mir nach der Behandlung schlechter geht als vorher, muss der Arzt etwas falsch gemacht haben, oder? So leicht ist es nicht. Anders als bei einer Autoreparatur schuldet der Arzt dem Patienten keinen Erfolg. Dafür ist der menschliche Körper zu komplex. Der Arzt muss sich aber an allgemein anerkannte medizinische Standards halten, die zum Zeitpunkt der Behandlung gelten, also zum Beispiel an medizinische Leitlinien.

Tut er das nicht, muss aber noch lange kein Behandlungs­fehler vorliegen. Vielleicht hatte er gute Gründe dafür? Und vielleicht hat diese Abweichung den Gesundheitsschaden gar nicht verursacht, auch wenn gute Gründe dafür fehlen. Ein Behandlungs­fehler liegt nur dann vor, wenn gegen den allgemein anerkannten medizinischen Standard verstoßen wurde UND dieser Verstoß den Gesundheitsschaden auch tatsächlich verursacht hat.

Ihre Handlungsoptionen: Was wollen Sie erreichen?

Diese Schritte sind notwendig.

Sie haben den Verdacht, fehlerhaft behandelt worden zu sein: Was wollen Sie nun konkret unternehmen? Mit dem Arzt, den Sie für verantwortlich halten, ein klärendes Gespräch führen, Beschwerde erheben, Ansprüche geltend machen oder den Arzt zur Rechenschaft ziehen?

 

Ein klärendes Gespräch führen: 
Vereinbaren Sie mit dem Arzt oder dem Krankenhaus einen Gesprächstermin. Bereiten Sie Fragen und Ziele vor. Oft hilft es, eine Vertrauensperson mitzunehmen. Beachten Sie: Ein Arzt ist verpflichtet, auf Nachfrage über Umstände zu informieren, die auf einen Behandlungs­fehler hindeuten. Wenn dies wichtig ist, um Folgeschäden zu vermeiden, muss er sogar von sich aus informieren (siehe Quellen: § 630c BGB).

Beschwerde erheben: 
Hierzu kann man sich an das Beschwerdemanagement des Krankenhauses wenden oder einen Patientenfürsprecher der Klinik (ist in einigen Bundesländern vorgeschrieben) oder an den Vorgesetzten des Arztes oder an die Klinikleitung.

Ansprüche geltend machen: 
Dabei kann es um Schadensersatz und/oder Schmerzensgeld gehen. Solche Ansprüche kann man außergerichtlich oder vor einem Zivilgericht geltend machen (siehe: Klage).

Den Arzt zur Rechenschaft ziehen: 
Das kann über eine Anzeige bei der Polizei oder beim Staatsanwalt gehen oder über ein berufsrechtliches Verfahren bei der Ärztekammer. Vorsicht: Eine Anzeige mit nachfolgendem Strafverfahren verzögert häufig ein zivilrechtliches Verfahren. Und ein Arzt oder Krankenhaus wird meist nicht mehr bereit sein zu einer außergerichtlichen Einigung wegen Schadensersatz und Schmerzensgeld.

Ansprüche geltend machen: Worauf achten?

Im Falle einer Schwangerschaft sollten auch rechtliche Angelegenheiten geklärt werden.

Ein Gedächtnisprotokoll des Behandlungsverlaufs, Zeugen, Einsicht in die Patientenakte und ein medizinisches Gutachten, das den Behandlungs­fehler beweist: Wenn Sie Ansprüche durchsetzen wollen, sollten Sie gut vorbereitet sein – und auch die Verjährungsfrist beachten.

 

 

Verjährung: 
Schmerzensgeldansprüche und Schadensersatzansprüche verjähren nach 3 Jahren. Die Frist beginnt immer erst zum Ende des Jahres, in dem der Betroffene von dem Behandlungs­fehler erfahren hat oder davon hätte wissen müssen. Spätestens nach 30 Jahren sind Schadensersatzansprüche allerdings in jedem Fall verjährt, egal ob der Patient von dem Behandlungs­fehler erfahren hat oder nicht.

Gedächtnisprotokoll: 
Verfahren wegen Behandlungs­fehler können Jahre dauern. Daher sollte man ein Protokoll zu den Ereignissen anfertigen. Wer hat wann was gesagt oder getan? Stimmen die Erinnerungen überein mit dem, was in der Patientenakte steht?

Zeugen: 
Man sollte Namen und Adressen von Zeugen, die etwas zum Geschehen aussagen können, aufschreiben. Es kann helfen, wenn auch die Zeugen ein Gedächtnisprotokoll anfertigen.

Unterlagen: 
Patienten haben das Recht, ihre Patientenakte einzusehen und Kopien davon zu erhalten (siehe: Einsichtsrecht in die Patientenakte).

Gutachten: 
Um einen Behandlungs­fehler nachweisen zu können, benötigt man in aller Regel ein medizinisches Gutachten. Nur wenn die Sachlage völlig eindeutig ist, bestehen Aussichten, auch ohne Gutachten Ansprüche erfolgreich durchzusetzen. Ein kostenloses Gutachten veranlasst im Einzelfall die Kranken­versicherung (Wichtig: dies stoppt den Ablauf der Verjährung nicht!). Gesetzliche Krankenkassen sind per Gesetz verpflichtet, ihre Versicherten beim Verdacht auf einen Behandlungs­fehler zu unterstützen (siehe Quellen: § 66 SGB V). Dies kann durch ein Gutachten des Medizinischen Dienstes und die Bewertung der Patientenunterlagen geschehen.

Private Kranken­versicherungen haben ein eigenes Interesse daran, einen Behandlungs­fehler feststellen zu lassen, wenn dieser Folgekosten zu ihren Lasten verursacht. Das medizinische Gutachten der Versicherung kann der Versicherte anfordern. Kostenlose Gutachten kann man außerdem erhalten über Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen der Ärztekammern.

Ein selbst bezahltes Privatgutachten wird in einem Zivilprozess in der Regel als Parteivortrag gewertet (dasselbe gilt allerdings auch für Gutachten der Kranken­versicherung). Darum hat es nicht denselben Stellenwert wie ein Gutachten der Ärztekammer (Den höchsten Stellenwert haben natürlich gerichtlich veranlasste Sachverständigengutachten).

Die Kosten für ein selbst beschafftes Gutachten können sehr hoch sein. Für Betroffene ist es zudem nicht einfach, selbst einen passenden Gutachter zu finden. Hilfe bei der Suche bieten Anwälte, die Rechtsschutzversicherung, medizinische Fachgesellschaften oder Ärztekammern.

Außergerichtlich: Gutachter- oder Schlichtungsverfahren

Patienten und Ärzte können sich bei Behandlungs­fehlerverdacht mithilfe von Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen der Ärztekammern außergerichtlich einigen. Ein Gutachter- oder Schlichtungsverfahren ist allerdings nur möglich, wenn vor Gericht noch kein zivilrechtliches oder strafrechtliches Verfahren eingeleitet wurde. Beide Seiten müssen einverstanden sein. Das Verfahren wird schriftlich abgehalten. Es verhindert das Weiterlaufen der Verjährung.

Die Beteiligten sind nicht an das Ergebnis gebunden. Der Betroffene kann danach noch vor Gericht gehen. Der Arzt und seine Versicherung müssen das Ergebnis nicht anerkennen. Gutachterkommissionen erstellen dabei ein Gutachten. Schlichtungsstellen prüfen den Fall zusätzlich juristisch und klären, ob Schadensansprüche bestehen. Über die Höhe der Ansprüche muss sich der Betroffene mit dem Arzt/ dem Krankenhaus/ der Versicherung einigen. Das Verfahren dauert durchschnittlich 13 Monate. Bei ca. jedem dritten Verfahren wird ein Behandlungs­fehler festgestellt.

Eine Stethoskop liegt neben einem gerichtlichen Hammer.

Entscheidung vor Gericht: Das ist bei einer Klage zu beachten

Die Entscheidung zu klagen fällt in der Regel leichter, wenn man eine Rechtsschutzversicherung hat, die das Arzthaftungsrecht einschließt. Welche Leistungen genau versichert sind, kann man den Versicherungs­bedingungen entnehmen oder sollte es mit der Versicherung klären. Bei einer Klage sind einige Punkte zu beachten.

  • Für die Klage ist das Amtsgericht zuständig bei einem Streitwert bis 5.000 €.
  • Bei einem höheren Streitwert ist das Landgericht zuständig; dort besteht Anwaltszwang. Memo | Seite 4 | 18.05.2018
  • Vor Gericht muss man in der Regel beweisen, dass ein Behandlungs­fehler vorliegt und dass der Schaden durch diesen Fehler verursacht wurde.
  • Die Kosten bei Arzthaftungsprozessen sind meist hoch und richten sich nach dem Streitwert; außerdem sind Gutachten in der Regel teuer. Wer verliert, muss die Gerichtskosten und die Anwaltskosten für beide Parteien tragen. Achtung: Bei geringem Einkommen kann Prozesskostenhilfe beantragt werden. Sie wird erteilt, wenn die Klage aussichtsreich ist. Sie umfasst aber nur die eigenen Kosten. Die Anwaltskosten der Gegenseite (in Höhe der gesetzlichen Gebühren) muss man selbst zahlen, wenn man den Prozess verliert.

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