Mein Leben mit Long COVID

Man fühlt sich allein gelassen, von manchen Ärzten nicht ernst genommen und fängt auch irgendwann an, an sich selbst zu zweifeln. Bei jedem Arzttermin hofft man auf den Fund einer Ursache, egal wie schlimm, damit man endlich mal weiß, wo genau das Problem ist und wie man damit umgehen soll. Da die Erkrankung aber so vielseitig und auch immer noch neu ist, sind wahrscheinlich auch viele Ärzte noch überfragt

Erfahrungsbericht von Natascha

Die Infektion hatte ich mir im Oktober 2020 eingefangen. Mitte November durfte ich wieder vor die Türe und konnte anfangs keine 5 Minuten spazieren. Jegliche Anstrengung (Einkaufen, leichtes Bergauf-Gehen und ganz besonders Treppen) haben mich direkt außer Atem gebracht. Damals bin ich noch davon ausgegangen, dass es daran lag, dass ich fast 6 Wochen in Isolation war und mein Körper seine Kraftreserven erst wieder aufladen muss, was mir meine Hausärztin auch so bestätige. Zwar waren meine Werte bei der Untersuchung nicht gut, das ließ sich aber auf die Infektion zurückzuführen und sollten wir beobachten. Nach und nach wurde es so weit besser, dass ich bis Ende Dezember 2020 wieder langsam mit Yoga anfangen konnte.

Im Januar 2021 wurde es dann aber schlagartig so schlimm (völlige Erschöpfung, körperlich gar nicht mehr belastbar, starker Druck auf der Brust & Kurzatmigkeit, kein klares Denken möglich & fast schon depressiv), dass ich nochmals zu meiner Hausärztin gegangen bin, um mich weiter untersuchen zu lassen. Meine Blutwerte (besonders mein Ferritin-Wert) waren in Keller, weshalb ich verschiedene Präparate bekommen habe, um mich wieder aufzupäppeln und auch meine Atmung hat sich nicht gut angehört, weshalb ich zudem zu verschiedenen Fachärzten überwiesen wurde.

Durch die Präparate wurden meine Blutwerte zwar besser, jedoch nicht meine weiteren Beschwerden (ständige Erschöpfung, körperlich nicht belastbar, Kurzatmigkeit, ständiger Druck in der Brust, diverse weiterer Symptome, die sich mit der Zeit immer wieder veränderten). Ich war einerseits etwas erschrocken von den Auswirkungen der Infektion auf mich (jung, sportlich, keine Vorerkrankungen), allerdings kannte ich andere Long COVID Tragödien und war froh, dass es mich nicht in größerem Ausmaß getroffen hat.

Die Suche nach verfügbaren Fachärzten war die erste Hürde von vielen – die meisten waren durch die Corona-Pandemie völlig ausgebucht und haben keine Neupatienten mehr aufgenommen. Als ich dann einen Kardiologen und eine Pneumologin gefunden hatte, war ich sehr froh. Jedoch wurde das auch schnell relativiert – der Kardiologe konnte nichts Spezifisches feststellen, nur, dass meine Werte nicht gut sind – eine Ursache konnte aber nicht ausgemacht werden. Die Pneumologin kam zu einem ähnlichen Schluss – mein Lungenvolumen liegt bei 56% (vor der Erkrankung habe ich Handball gespielt und war sehr sportlich, was daher ein richtiger Schock war) und ich habe vermutlich Asthma (auch eine neue Erkrankung, die zwar familiär bereits bekannt ist, von der ich aber bisher verschont blieb). Es wurde dann ein Thorax CT gemacht, bei dem Vernarbungen auf meiner Lunge festgestellt wurden, welche aber scheinbar auch nicht die Ursache für meine Symptome sein können. Daher waren sich aber beide Fachärzte in einem Punkt einig: Meine Symptome sind nachvollziehbar und deuten auf Long COVID hin – was hier konkret aber gegen getan werden kann, weiß niemand.

Nachdem ich durch die Fachärzte keine weitere Hilfestellung erhalten habe (außer „Das sehen wir häufig bei Corona-Patienten – eine Ursache finden wir fast nie“), bin ich nochmals zu meiner Hausärztin, da diese sich als einzige dem Thema angenommen hat und versucht hat mit mir eine Lösung zu finden.

Nach weiteren Untersuchungen bei meiner Pneumologin und meiner Hausärztin hat sich herausgestellt, dass ich nun Asthma und verschiedene Allergien habe – was wahrscheinlich durch die Corona-Infektion ausgelöst wurde. Da ich jedoch aufgrund der Atem-Probleme, dem Druck auf der Brust und der ständigen Erschöpfung weiterhin weder Treppen steigen noch Sport machen konnte und es auch keine Anzeichen für Besserung gab (und auch keine Aussicht auf eine Behandlung), hat meine Hausärztin gegen Ende 2021 empfohlen, mich in die Reha zu schicken. Zwar war das nicht, was ich erhofft hatte, aber es war immerhin etwas, mit dem ich auf Besserung hoffen konnte.

Der Antrag wurde seitens der Rentenversicherung nach erstmaligem Ablehnen dann doch genehmigt, sodass ich im Mai 2022 dann in die Reha durfte, wo ich gemeinsam mit anderen Long COVID und Asthma-Patienten „behandelt“ wurde.

Erst dort wurden weitere Tests und ein Belastungs-EKG gemacht, mir weitere Medikamente verschrieben und sich endlich ganzheitlich um mich gekümmert. Mit dem Therapie-Plan und den Physiotherapeuten wurde es auch ohne bekannte Ursache so weit besser, dass ich nach und nach wieder leichte Berge laufen konnte (ohne dabei Pausen machen zu müssen), Treppen steigen konnte (ohne dabei fast umzukippen) und sogar langsam mit Training an Geräten angefangen habe. Zwar konnte mir auch in der Reha, abgesehen von der Diagnose Long COVID, keine weitere Ursache genannt werden, jedoch habe ich mich dort endlich mal ernstgenommen gefühlt und konnte eine Verbesserung wahrnehmen.

Im Anschluss an die Reha gab es noch eine Reha-Nachsorge, die ich einmal die Woche in Anspruch genommen habe. Zudem konnte ich gezielte Übungen im Fitness-Studio machen und konnte weitere körperliche Verbesserungen erkennen.

Durch weitere leichte Erkrankungen seitdem (Erkältungen, Grippe, evtl. auch nochmal Corona) hat sich aber mein Zustand wieder verschlechtert, sodass der Druck auf der Brust, die Kurzatmigkeit, die Erschöpfung und die körperlichen Einschränkungen wieder zurückgekehrt sind. Daher fängt der Teufelskreis nun von vorne an – Blutwerte ermitteln lassen, stärkere Präparate nehmen, von Facharzt zu Facharzt rennen und hoffen, dass endlich jemand eine Ursache findet. Ich bin mittlerweile anfälliger für jegliche Infektionen und muss mich dabei auch so weit schonen, dass diese sich nicht in der Lunge festsetzen. Zudem wird mein Asthma schlimmer und ich muss lernen damit zu leben und es schaffen in den Griff zu bekommen. Derzeit ist der einzige Lichtblick ein Termin in einer Pneumologie in einem Krankenhaus, die wohl gut sein soll. Evtl. finden die Ärzte dort endlich etwas Konkretes, was sich therapieren lässt.