Wissenswertes zu Behandlungsoptionen des fortgeschrittenen idiopathischen Morbus Parkinson

26.05.2023 | Gesundheitskompetenz

Morbus Parkinson, auch Parkinson-Erkrankung genannt, ist eine chronische, langsam fortschreitende Erkrankung des Gehirns. Dabei kommt es unter anderem zu einem Mangel des Botenstoffes Dopamin, der für die Steuerung von Bewegungsabläufen notwendig ist. Die ersten Frühzeichen können unspezifisch sein und manchmal vergehen Jahre bis zur Diagnose der Erkrankung. In der Regel wird Morbus Parkinson zwischen dem 50. und 60. Lebensjahr diagnostiziert, wobei die Erkrankung auch deutlich früher oder später auftreten kann.

Verlauf der Erkrankung

In den meisten Fällen treten erste Symptome schleichend auf und können sich individuell stark unterscheiden. Zu den motorischen Hauptsymptomen zählen die Bewegungsverlangsamung (Bradykinese), die Muskelsteifheit (Rigor) und das Muskelzittern in Ruheposition (Tremor). Eine Körperhälfte ist dabei oft stärker betroffen als die andere. Darüber hinaus kommt es im Verlauf der Erkrankung oft zu einer Störung der Haltungsstabilität. Das Fortschreiten der Parkinson-Krankheit führt zu einer kontinuierlichen Verstärkung der einzelnen Symptome und zu Schwankungen im Tagesverlauf. Zudem können verschiedene Symptome gemeinsam in Erscheinung treten.

Neben motorischen Beschwerden mit Einschränkungen der Beweglichkeit kann es auch zu sogenannten nicht-motorischen Beschwerden kommen. Einige dieser nicht-motorischen Beschwerden wie eine Riechstörung, eine Depression, eine Verstopfung oder eine spezielle Schlafstörung mit Bewegungen im Schlaf (REM-Schlafverhaltensstörung) können schon vor Beginn der Bewegungsstörung auftreten. Andere nicht-motorische Beschwerden wie Störungen von Gedächtnis oder Aufmerksamkeit, Blutdruckregulation oder Blasenfunktion treten oft erst später im Verlauf der Erkrankung auf.

Morbus Parkinson schreitet stetig voran. Der individuelle Verlauf der Erkrankung kann nicht mit Sicherheit vorhergesagt werden. Moderne Medikamente können die Lebensqualität lange Zeit deutlich verbessern, viele Patienten können über Jahre ein normales, fast uneingeschränktes Leben führen. Allerdings müssen dafür die Medikamente immer neu angepasst und eingestellt werden. Bisher gibt es noch keine Medikamente, die den Verlauf der Erkrankung verlangsamen können, aber daran wird intensiv geforscht. Mittlerweile ist bekannt, dass ein Eiweißstoff (alpha-Synuclein) bei der Erkrankung eine wichtige Rolle spielt, weil er im Gehirn verklumpt (aggregiert). In aktuellen Studien wird untersucht, ob durch regelmäßige Infusionen mit speziellen Antikörpern das aggregierte alpha-Synuclein aus dem Körper entfernt werden kann und sich dadurch der Verlauf der Erkrankung verlangsamt.

Behandlung von Morbus Parkinson

Die motorischen Parkinson-Symptome werden durch einen Mangel des Botenstoffes Dopamin im Gehirn ausgelöst. Daher zielen viele Behandlungen darauf ab, diesen Botenstoff in Medikamentenform entweder wieder zuzuführen oder den Abbau von Dopamin zu verhindern. In beiden Fällen wird der Dopaminmangel ausgeglichen und die Beschwerden werden gelindert. Allerdings kann das weitere Absterben der Nervenzellen und somit das Fortschreiten der Erkrankung nicht verhindert werden. In der Frühphase der Parkinson-Krankheit lassen sich die o.g. motorischen Kardinalsymptome meistens gut durch die sogenannte dopaminerge Medikation entweder in Form einer Einzel- oder Kombinationstherapie behandeln:

  • L-Dopa =Levodopa (Vorstufe von Dopamin)
  • Dopamin-Agonisten (wirken an Dopamin-Bindungsstellen im Gehirn, „imitieren“ die Wirkung des Dopamin)
  • MAO-B-Hemmer (hemmen den Abbau von Dopamin)
  • COMT-Hemmer (hemmen den Abbau von Dopamin; wird nicht in der Frühphase gegeben)
  • Amantadin (beeinflusst den Dopamin-Gegenspieler Glutamat im Gehirn)

Da die Ursache der motorischen Beschwerden oft durch einen Mangel an Dopamin im Gehirn verursacht wird, kann durch eine dopaminerge Medikation eine Verbesserung dieser Symptome erzielt werden. Darüber hinaus können bei der Parkinsonerkrankung auch andere Botenstoffe im Gehirn betroffen sein, die dann zu nicht-motorischen Beschwerden wie Störungen von Gedächtnis oder Stimmung führen können. Diese Beschwerden müssen mit anderen Medikamenten behandelt werden. Insgesamt gilt, dass jeder Betroffene seine eigene ganz individuelle Erkrankung mit einer ganz individuellen Kombination an motorischen und nicht-motorischen Beschwerden hat. Deshalb ist eine sehr individuelle Behandlung durch einen Parkinson-Spezialisten, vor allem im fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung erforderlich.

Da Morbus Parkinson voranschreitet, sind im Verlauf der Erkrankung immer wieder Anpassungen der Therapie und/oder der Dosierungen nötig, um die bestmögliche Kontrolle über die (motorischen) Symptome zu erreichen. Im Nachfolgenden soll insbesondere auf die Behandlung der motorischen Beschwerden in der späteren Phase der Erkrankung eingegangen werden. Mit zunehmender Erkrankungs- und Therapiedauer steigt die Wahrscheinlichkeit, Komplikationen in Form von sogenannten motorischen Fluktuationen zu entwickeln. Zu diesen Fluktuationen kann ein frühzeitiges Nachlassen der Medikamentenwirkung gehören (Wearing-Off), ein Auftreten von unwillkürlichen tanzenden Überbewegungen (Dyskinesien) oder ein plötzlicher Wechsel zwischen guter und schlechter Beweglichkeit (On-Off-Fluktuationen, Sudden-Off). Diesen Parkinson-Erkrankten kann dann durch eine Umstellung der Parkinsonmedikamente oder durch sogenannte „gerätegestützte Therapien“ wie Medikamentenpumpen, die die Medikamente kontinuierlich in den Körper verabreichen, oder der tiefen Hirnstimulation (THS) geholfen werden.

Wann und warum sollte eine Parkinsontherapie umgestellt werden?

Mit fortschreitender Erkrankung nimmt die Zahl der dopaminproduzierenden Nervenzellen im Gehirn stetig ab. Es kommt zu einer Verschlechterung der Symptome, die eine Anpassung der Therapie notwendig machen. Aufgrund von Schluckproblemen oder einer verzögerten Magenentleerung kann zudem der Wirkeintritt der Tabletten zusätzlich verzögert werden. Strategien, um dieser Verzögerung entgegenzuwirken sind: Erhöhung der Dosis, häufigere Einnahme der Medikamente oder eine Kombination mehrerer Wirkstoffe.

Sobald keine befriedigende Kontrolle der Symptome mehr durch eine optimierte orale Medikation möglich ist, bietet sich der Wechsel zu einer gerätegestützten Therapie an. Hier können Pumpentherapien oder die THS zum Einsatz kommen. Durch die gerätegestützte Behandlung können die Probleme der oralen Medikation umgangen werden und so nachweislich die Lebensqualität der Betroffenen verbessert werden.

Welche gerätegestützten Therapie-Optionen gibt es?

So individuell wie sich die Erkrankung im Laufe der Jahre verändert, sollte auch die Therapie individuell angepasst werden. Dank gerätegestützter Therapien kann man auch Wirkungsschwankungen gut unter Kontrolle bringen. Diese intensivierten Therapieoptionen zielen dabei darauf ab, eine optimale nervale Stimulation im Gehirn herbeizuführen. Auf diese Weise können bei Betroffenen die Selbstständigkeit und Flexibilität erhalten bleiben, Symptome gelindert und so das allgemeine Wohlbefinden unterstützt werden.

Zum jetzigen Zeitpunkt stehen im Wesentlichen drei nicht-orale, gerätegestützte Therapien zur Auswahl:

  • Intestinale Infusionstherapie mit Levodopa
  • Subkutane Therapie mit Apomorphin
  • Tiefe Hirnstimulation

Die gerätegestützten Therapien sind jedoch nicht gleichermaßen für alle Patienten mit Parkinson geeignet. So sollte frühzeitig mit dem behandelnden Arzt individuell abgewogen werden, welche Therapieform am besten passt. Dabei kommt es auf die persönliche Situation des Patienten an, wie beispielsweise das Alter, eine eventuelle kognitive (das Denken betreffende) Beeinträchtigung sowie der Verfügbarkeit eines betreuenden Umfelds, das (falls erforderlich) bei der Bedienung von Geräten aushelfen kann.

Intestinale Infusionstherapie

Mit Hilfe einer Pumpe, die außen am Körper getragen wird, wird der Wirkstoff Levodopa über ein Sondensystem gezielt in den Dünndarm abgegeben. Auf diese Weise können Probleme einer verzögerten Magenentleerung oder Schluckstörungen umgangen und so eine verbesserte und gleichmäßigere Wirkstoffaufnahme erreicht werden. Über den Blutkreislauf gelangt Levodopa ins Gehirn, wo es die Blut-Hirn-Schranke überwindet und dort zu Dopamin umgewandelt wird. Die gleichmäßige Abgabe von Levodopa sorgt für konstante Levodopa-Spiegel im Blut und damit für eine konstante Stimulation im Gehirn mit wenigen bis gar keinen Wirkschwankungen (Zittern, Unbeweglichkeit, etc.), die bei einer oralen Therapie auftreten können. Das Ziel der Levodopa-Infusionstherapie ist eine Monotherapie, d.h. alle anderen (für die Beweglichkeit gegebenen) Medikamente können abgesetzt werden. Die Platzierung der Sonde erfolgt während einer Magenspiegelung unter Kurzzeitnarkose. Bevor die Sonde platziert wird, kann die Therapie über eine Nasensonde mit relativ geringem Aufwand getestet werden.

Subkutane Infusionstherapie

Bei der subkutanen Infusionstherapie kommt der Wirkstoff Apomorphin zum Einsatz. Dieser gehört zu den Dopaminagonisten und kann daher im Gehirn die Funktion von Dopamin übernehmen. Da nur ein geringer Teil von Apomorphin über den Magen-Darm-Trakt aufgenommen werden kann, ist Apomorphin für eine orale Medikation ungeeignet. Stattdessen wird Apomorphin mittels einer feinen Nadel unter die Haut (subkutan) injiziert. Dies kann einfach über einen Pen (ähnlich einem Insulin-Pen) bei beginnender schlechter Beweglichkeit oder, bei gehäuften Phasen von schlechter Beweglichkeit, über eine einfach anzulegende Pumpe erfolgen. Durch den anhaltenden Wirkspiegel von Apomorphin im Blut, kann eine gleichmäßig anhaltende Besserung der Symptome erzielt werden. Begleitende Medikamente können unter Umständen reduziert werden. Für die meisten Patienten mit der Apomorphin-Pumpe besteht allerdings weiterhin die Notwendigkeit auch während der Laufzeit der Infusion Levodopa oral einzunehmen. Für das Anlegen der Pumpe ist kein operativer Eingriff erforderlich. Dadurch kann diese Therapie individuell und mit geringem Aufwand getestet werden.

Tiefe Hirnstimulation

Bei der tiefen Hirnstimulation („Hirnschrittmacher“) handelt es sich um ein neurochirurgisches Verfahren. Aufgrund des größeren operativen Eingriffes direkt am Gehirn sind die Therapie-Chancen und Risiken vorher gründlich abzuwägen.

Bei der Operation werden dünne Elektroden millimetergenau in bestimmte Regionen des Gehirns vorgeschoben. Dort werden gezielt leichte elektrische Impulse an die betroffene Gehirnregion abgegeben, was zu einer Verbesserung der Bewegungen oder einem Rückgang des Zitterns führt. Reguliert werden diese Impulse über einen Stimulator, der einem Herzschrittmacher ähnelt. Dieser wird, wie die Elektroden, während eines operativen Eingriffes, unter die Haut eingesetzt. Einstellungen am Schrittmacher werden individuell den Symptomen angepasst und durch den behandelnden Arzt vorgenommen. Bei gutem Ansprechen kann diese Therapie eine kontinuierliche Beschwerdelinderung ermöglichen. Eine Unterstützung durch Angehörige ist nicht unbedingt erforderlich. Begleitende Medikamente können oft deutlich reduziert werden.

Angst vor der gerätegestützten Therapie – was nun?

Im Fortschreiten der Erkrankung ist es normal, dass man unsicher und ängstlich neuen Therapien gegenüber ist. Der damit verbundene operative Eingriff, die Technik, all das Neue möchte man natürlich nicht an sich heranlassen, weil man es nicht kennt.

Wichtig zu wissen ist, dass bei all diesen Therapieoptionen der Patient intensiv von seinem Behandler aufgeklärt wird. Bei den intestinalen Pumpentherapien ist auf Wunsch des Patienten von Anfang an fachlich sehr gut geschultes externes medizinisch-pflegerisches Personal (Parkinson Nurse) mit dabei. In der Klinik wird umfassend geschult und auf das Leben mit einer Pumpe zu Hause vorbereitet. Auch Lebenspartner, Angehörige oder pflegende Personen werden ausgiebig geschult. Die Patienten werden regelmäßig besucht, haben aber auch immer die Möglichkeit, ihre betreuende Nurse oder eine 24-Stunden Hotline zu kontaktieren.

Es besteht auch vor der Therapieentscheidung die Möglichkeit, ein ausführliches Informationsgespräch mit einer speziell ausgebildeten Parkinson Nurse zu führen, um sich alle Fragen beantworten zu lassen. Sicher ist es schwer, diesen Schritt zu gehen, jedoch wird es früher oder später generell schwieriger durch den Alltag zu kommen, wenn eine gerätegestützte Therapie nicht in Betracht gezogen wird. Diese Therapieoptionen bieten ein ganzes Stück Lebensqualität mit mehr Beweglichkeit und Flexibilität im Alltag.

Hier finden Sie eine Broschüre zum Thema gerätegestützte Therapien.

Zukünftige Behandlungsoptionen

Die Stammzelltherapie gilt als mögliche Hoffnung für Parkinson-Patienten. Trotz einzelner vielversprechender Ergebnisse ist die Methode vom Einsatz in der klinischen Praxis jedoch noch weit entfernt. Nun haben Forscher die Therapie erstmals langfristig an Primaten erprobt, die an Parkinson-ähnlichen Symptomen litten: Sie transplantierten den Affen aus sogenannten induzierten pluripotenten Stammzellen entstandene Neurone ins Gehirn – offenbar mit Erfolg. Nach der Behandlung verbesserten sich die Symptome der Tiere.

Die Idee: Das abgestorbene Hirngewebe soll bei Patienten durch aus Stammzellen gewonnene Nervenzellen ersetzt werden. Weil der Einsatz embryonaler Stammzellen zu solchen Zwecken umstritten ist, experimentieren Forscher inzwischen vermehrt mit sogenannten induzierten pluripotenten Stammzellen (iPS-Zellen). Dabei werden Körperzellen künstlich in einen Zustand wie im Embryonalstadium zurückversetzt – das heißt, sie können sich erneut zu jedem Zelltyp des Körpers entwickeln, beispielsweise zu Nervenzellen.

Mit Stammzellen gegen Parkinson? - wissenschaft.de