Long COVID

Das sollten Sie wissen. 

Viele Menschen überstehen eine Covid-19-Erkrankung ohne Folgen. Andere kommen nur schwer wieder auf die Beine. Selbst Experten rätseln noch darüber, was es genau mit den Corona-Spätfolgen auf sich hat. Denn obwohl der Körper die Viren besiegt hat, haben einige Genesene teils über Wochen oder gar Monate mit Nachwehen zu kämpfen. Sie bekommen bei der geringsten Anstrengung Luftnot und Herzrasen, sind schnell erschöpft, ständig müde und nicht voll belastbar. Die Beschwerden sind so vielfältig wie individuell: Häufig kehren Geruchs- und Geschmackssinn, die während der akuten Erkrankung verloren gegangen sind, lange nicht zurück. Rund die Hälfte der Betroffenen hat außerdem Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen oder klagt über Benommenheit, wie eine Studie ergab. In besonders schweren Fällen kann die neuroimmunologische Erkrankung ME/CFS (Fatigue) entstehen.

Was bedeutet Long COVID?

Experten fassen die Beschwerden unter dem Sammelbegriff Long COVID oder Post COVID zusammen. Nach wirksamen Medikamenten wird weiterhin in Studien gesucht. Bis geeignete Präparate und Therapieempfehlungen ausreichend getestet sind, brauchen Menschen mit Long COVID vor allem einen langen Atem – und starke Nerven. Denn es kann seelisch belastend sein, wenn man sich mit dem Leiden nicht ernst genommen fühlt, etwa weil das Umfeld kein Verständnis zeigt. Tipps wie „Zähne zusammenbeißen“ sind keinesfalls hilfreich.

Also: Was tun bei Long COVID? Neben Durchhalten und Geduld können verschiedene Strategien auf dem Weg der Genesung helfen. Die gute Nachricht: In fast jedem Fall endet das Leiden vollständig und Betroffene erhalten ihre gewohnte Lebensqualität zurück.  

Long COVID in Zahlen

Im März 2020 rief die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Covid-19-Pandemie aus. Schon bald war klar: Auch nach einem leichten oder gar symptomfreien Verlauf von Corona, wie die Erkrankung umgangssprachlich bezeichnet wird, können Beschwerden anhalten. Eine Analyse listet inzwischen über 200 entsprechende Beschwerden in zehn Organen auf.

Wie häufig ist Long COVID? Dazu variieren die Angaben: Zwischen sieben und 13 Prozent ergeben Daten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Das Robert-Koch-Institut (RKI) beziffert die Häufigkeit von Long COVID im Zeitraum von 6 bis 12 Monaten nach einer Infektion mit SARS-CoV-2 mit mindestens 6,5 Prozent (Stand Oktober 2023). Laut einer Überblickstudie kommt es bei rund zehn Prozent der COVID-Infektionen zu Folgen. Allein in Deutschland geht man von zwischen einer Million bis zu 2,5 Millionen Menschen mit Long COVID aus, weltweit von 65 Millionen.

Viele Menschen, die von Long COVID betroffen sind, können ihrem Beruf nicht mehr in gewohntem Umfang nachgehen und sind auch im Alltag eingeschränkt. Eine Studie ergab, dass 45 Prozent der Long COVID-Erkrankten auch nach über sechs Monaten nicht in der Lage sind, Vollzeit zu arbeiten. 80 Prozent der Patientinnen und Patienten, die nach sechs Monaten noch Beschwerden hatten, leiden auch nach mehr als einem Jahr an Symptomen. Auch Kinder und Jugendliche kann es treffen.

Long COVID oder Post COVID: Was ist der Unterschied?

Medizinisch wird zwischen dem Long COVID- und dem Post-COVID- Syndrom unterschieden. Dabei geht es um die Frage: Wann treten Long COVID Symptome auf? Long COVID (LC) umfasst Beschwerden, die mehr als vier Wochen nach Ansteckung mit dem Coronavirus fortbestehen, sich verschlechtern oder neu auftreten. Das Post-COVID-Syndrom (PCS) bezeichnet Beschwerden, die noch nach drei Monaten bestehen und mindestens zwei Monate anhalten oder wiederkehren. Um es einfach zu halten, soll es im Folgenden nur Long COVID heißen.

Auch die deutsche Leitlinie fasst die beiden Begriffe zusammen. Dazu zählen:

  • alle Symptome, die aus der akuten Covid-19-Phase oder deren Behandlung fortbestehen
  • alle Symptome, die zu einer neuen gesundheitlichen Einschränkung geführt haben
  • neue Symptome, die nach dem Ende der akuten Phase aufgetreten sind, aber als Folge der Covid-19-Erkrankung verstanden werden
  • eine bestehende Grunderkrankung, die sich nach der Infektion verschlechtert hat

Wer bekommt Long COVID?

Im Prinzip kann Long COVID jeden treffen, der sich mit SARS-CoV-2 infiziert hat. Bestimmte Menschen haben jedoch ein höheres Risiko für Long COVID.

Zu den Risikogruppen gehören:

  • Patientinnen und Patienten mit schwerem Verlauf der Corona-Erkrankung
  • Menschen, die Vorerkrankungen haben, wie Diabetes oder Bluthochdruck
  • Seniorinnen und Senioren
  • Frauen sind häufiger betroffen als Männer
  • Personen mit Übergewicht

Was passiert bei Long COVID im Körper?

Die genauen Ursachen für Long COVID stellen auch Expertinnen und Experten noch vor Rätsel. Von Fall zu Fall können unterschiedliche Prozesse für Beschwerden verantwortlich sein.

Folgende Zusammenhänge sind möglich:

  • Entzündungen in Blutgefäßen und Organen
  • Autoimmunreaktionen
  • Gerinnungsstörungen und Gefäßerkrankungen
  • Gewebeschäden
  • Störungen im Nervensystem
  • Störungen des Stoffwechsels
  • Anhaltende Virusinfektion
  • Veränderungen im Hormonhaushalt

Was schützt vor Long COVID?

Die beste Vorsorge bei Long COVID besteht darin, eine Covid-19 Infektion zu vermeiden. Neben Schutzmaßnahmen, wie den bekannten AHA-Regeln (Abstand, Hygiene und gegebenenfalls Alltagsmaske tragen), empfehlen sich Schutz- und Auffrischimpfungen gegen Covid-19. Zwar kommen auch bei vollständig Geimpften sogenannte Durchbruchinfektionen vor, so dass auch Long COVID-Beschwerden folgen können. Studien liefern jedoch Hinweise, dass das Risiko für Long COVID-Symptome bei Geimpften niedriger ausfallen könnte.

Wer bereits an Long COVID leidet, sollte mit der behandelnden Ärztin oder dem Arzt besprechen, ob und wann eine vorbeugende Impfung gegen weitere mögliche Coronavirusinfektionen ratsam ist.

Welcher Arzt hilft bei Long COVID?

Die erste Anlaufstelle ist die Hausarztpraxis. Hier ist die persönliche Patientengeschichte mit möglichen Vorerkrankungen bekannt. Bei Bedarf wird der Hausarzt oder die Hausärztin Betroffene an eine geeignete Facharztpraxis überweisen. Die behandelnden Ärzte und Ärztinnen haben auch die Möglichkeit, Patientinnen und Patienten zu einer Long COVID-Spezialambulanz in einem Krankenhaus zu überweisen, etwa wenn sich die Beschwerden nicht eindeutig einer Fachrichtung zuordnen lassen. Vor allem Universitätskliniken bieten diesen Service an.

Welche Therapie heilt Long COVID?

Es gibt derzeit noch keine Behandlung für die Ursachen von Long COVID. Die Therapie ist immer individuell, häufig multimodal und richtet sich nach den entsprechenden Symptomen. Das Ziel der Therapie ist es, die Beschwerden zu lindern.

Wie komme ich bei Long COVID zu einer Reha?

Vor einer stationären Rehabilitationsmaßnahme stehen in der Regel zunächst ambulante Therapie und Eigenübungen an. Führen diese Maßnahmen nicht zu einem ausreichenden Behandlungserfolg, kann eine mehrwöchige Reha in einer Tagesklinik (teilstationär) oder einer stationären Rehabilitationseinrichtung angezeigt sein. Je nach Schwerpunkt der Beschwerden sollten Betroffene mit ihrer Ärztin oder ihrem Arzt besprechen, welche Form der Reha am besten geeignet ist.

Mit Long COVID zurück ins Leben

Folgende Strategien können Menschen mit Long COVID helfen, besser mit Beschwerden umzugehen. In fast allen Fällen erhalten Betroffene Schritt für Schritt wieder in ihre gewohnte Lebensqualität zurück.

Schonprogamm

Long COVID-Patientinnen und -Patienten sollten sich daran gewöhnen, Aktivitäten in einem langsameren Tempo auszuführen und regelmäßig Pausen einzulegen. Um Überforderung und Erschöpfung zu vermeiden, hat sich das „3P-Prinzip“ als hilfreich erwiesen – Pacing, Planen, Priorisieren. Das bedeutet: das Tempo anpassen, Aktivitäten planen und im Alltag Prioritäten setzen.

Tipp: Erkennen Sie Ihre Grenzen und halten Sie diese auch ein – im Beruf wie privat.

Klarer Kopf

Einige Menschen mit Long COVID klagen über „Brainfog“ (Hirnnebel), ein Gefühl der Benommenheit. Ergotherapie kann dabei unterstützen, die Konzentrationsfähigkeit wieder zu stärken. Viele Betroffene profitieren von Entspannungsübungen, dazu zählen autogenes Training, Progressive Muskelrelaxation, Meditation sowie Tai-Chi und Yoga. Auch dabei gilt es, Überforderung zu vermeiden.

Tipp: Sanftes Training für die grauen Zellen, etwa einige Minuten Kreuzworträtsel oder Sudoku kniffeln.

Gesellschaft

Antriebslos? Isolation besser trotzdem vermeiden! Studien zeigen, dass soziale Kontakte für die Gesundheit förderlich sind.

Tipp: Informieren Sie den Freundeskreis und Angehörige über Ihre Beschwerden. Sagen Sie, wenn Sie sich Gesellschaft wünschen, und bitten Sie um Verständnis, wenn Sie erschöpft sind und wieder Ruhe brauchen.

Bewegung

Muskelaktivität hat eine wichtige Bedeutung für die Gesundheit. Dabei werden Stoffe ausgeschüttet, die nicht nur Entzündungen hemmen, sondern auch die Gehirnfunktion stimulieren und viele Stoffwechselprozesse optimieren. Schmerzen, Atemnot, Herzprobleme, Angst und das Gefühl von Niedergeschlagenheit: Bewegung kann helfen, die Beschwerden zu lindern.

Tipp: Bauen Sie körperliche Aktivitäten nach Ihren individuellen Möglichkeiten Schritt für Schritt in den Alltag ein. Überforderung unbedingt vermeiden!

Atmen

Kurzatmigkeit und Luftnot können stark einschränken. Doch die Lunge lässt sich trainieren. Die Hausärztin oder der Hausarzt können bei Bedarf eine Atemtherapie in einer spezialisierten Praxis für Physiotherapie verordnen. Dort lernen Betroffene Übungen, etwa die „Lippenbremse“ oder den „Kutschersitz“.

Tipp: Atemtherapiegeräte gibt es auf Rezept sowie rezeptfrei in der Apotheke zu kaufen. Dabei wird gegen einen Widerstand ausgeatmet, die entstehenden Vibrationen lindern die Atembeschwerden.

Innere Balance

Optimistisch bleiben, positiv denken: Das ist leichter gesagt als getan, wenn das Leben von den Folgen der Erkrankung überschattet wird. Oft fällt es leichter, mit Symptomen umzugehen und den Alltag trotz Einschränkungen zu meistern, wenn man gut informiert ist. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat eine Broschüre mit ausführlichen Informationen und vielen Übungen zusammengestellt: „Empfehlungen zur Unterstützung einer selbstständigen Rehabilitation nach COVID-19-bedingter Erkrankung“ 

Tipp: In Selbsthilfegruppen können Betroffene Erfahrungen austauschen. Über nakos.de, die Homepage der Nationalen Kontakt- und Informationsstelle zur Anregung und Unterstützung von Selbsthilfegruppen, finden Sie Angebote in Ihrer Region.

Digitale Helfer

Tracking-Apps und Wearables können Menschen mit Long Covid im Alltag unterstützen: Es gibt Apps, die Schlaf, Aktivitäten, bestimmte gesundheitliche Parameter und das allgemeine Wohlbefinden erfassen. So fällt es leichter, den eigenen Körper besser einzuschätzen und das Verhalten entsprechend anzupassen. Zum Beispiel die App „Visible“ soll helfen, energielimitierende Krankheit wie Long Covid zu verstehen und einen Umgang damit zu finden.

Wiedereinstieg in die Arbeit

Ihr Arbeitgeber sollte Sie bei der Rückkehr an den Arbeitsplatz unterstützen. Dazu sollten Sie offen mit Ihren Sorgen und Fragen umgehen. Besprechen Sie mit Ihrem Arbeitgeber am besten einen gestaffelten Wiedereinstiegsplan über einen vorab bestimmten Zeitraum. Geben Sie Rückmeldung, falls der Plan zu eng zugeschnitten ist. Dies kann dazu beitragen, einen gesundheitlichen Rückfall und weitere Fehlzeiten zu vermeiden.

Weitere Informationen zu Long COVID

Auf dem Informationsportal der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung finden Sie ständig aktualisierte Informationen und nützliche Links: longcovid-info.de

Weitere Fakten und Daten zu Long und Post-Covid gibt es auf den Internetseiten des Robert Koch-Instituts unter rki.de

Quelle: Isartal Health Media (2023)